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Neben dem Kaffee-Machen

Erst mal einen Kaffee machen, es ist schon spät, trotzdem, das Herz muss trotzdem noch ein Weilchen weiterschlagen. Ich hoffe es jedenfalls, dass es das tut. Und die Hoffnung soll man bekanntlich niemals aufgeben. Verdammt, immer diese Gefühle, immer wieder Körperliches, was mich vom Nachdenken über mich selbst abhält. Doch wie auch immer, es gehört zu mir, zum Menschen. Lügen haben kurze Beine, werden ohnehin nach kurzer Zeit auffliegen. Meistens soll es so jedenfalls sein. Ein, zwei Tassen Kaffee mit Koffein, jetzt am Abend. Auf dass ich nicht wieder anfange zu schwitzen und mein Kreislauf verrückt spielt. Blutdruck halt. Laut Dr. med. Fernsehdoktor bemerkt man den Anstieg des Blutdrucks nicht. Er muss es ja wissen, denn er ist Mediziner. Ich bin nur der Leidtragende, der, der sein eigenes Leid selbst verursacht. Nachdenken. Worüber? Ich könnte kotzen, Aber das führte auch nicht weiter. Was ist überhaupt mein Problem? Lernen? Wissen? Wofür? Für mich? Für wen denn sonst? Warum will ich wissen? Kann es sein, dass all das aus Langeweile so gewollt ist, dass wir, also auch ich, uns mit Dingen beschäftigen, die eben naheliegend sind, die nur einen geraden Weg zu gehen benötigen, die keine Anstrengung erfordern, die aber letztlich die ganze Angelegenheit umso anstrengender werden lässt? Endloses Lernen, lernen, was früher nicht ging, alles verpasst, jetzt in die Birne reindrönen, was nicht mehr geht. Das Alter hält manche Überraschung für einen bereit. Nichts geht mehr. Zwar funktioniert so vieles mit dem Körper noch, manchmal denke ich, es sei noch zu viel, was noch funktioniert, jedenfalls für mein Alter. Die Zwänge halten aber das, was der Körper noch kann, im Zaum. Und so bleibt es beim Alten, das schon alt war, als ich noch jung war. Ohnehin sind es nur noch Bruchstücke, waren es vielleicht immer schon, nur, dass jetzt das Hirn dabei ist, Fehlendes hinzuzudichten. Was ist wahr? Bin ich aufrichtig? Das morgendliche, das nachmittägliche Erwachen, stets aus der Traumblase, die beim Aufwachen zerplatzt und sogleich nur kleine sich verflüchtigende Bläschen hinterlässt, denen nachzutrauern eigentlich Zeitverschwendung ist, es aber zermürbt und schmerzt, es nicht zu tun. Was beschwere ich mich denn? So mißlungen ist das Ganze, das man auch mein Leben nennen könnte, nicht. Jetzt gehöre ich nicht zu dem Typ Mensch, der sich in selbstverletzender Weise nur grämt und im Kreis dreht. Doch, im Kreis drehen, das tue ich schon. Schriftsteller wollte ich werden. So vieles kam dann dazwischen, aber eigentlich kam nichts dazwischen, nur meine Zwänge, die eigentlich das Nichtstun im Nachhinein lediglich rechtfertigen. Joshua heiße ich. Wie bin ich zu meinem Namen gekommen. Ich weiß es nicht. Ich bin nicht die Rettung, nicht einmal für mich selbst. Auch ich lebe in dieser Welt und versuche das Beste daraus zu machen. Wie bin ich also zu diesem Namen gekommen? Mein Leiden wurde erhöht, die Folge war Erniedrigung, Einzäunung des Selbst, wogegen ich mich lange Zeit nicht zur Wehr setzen konnte. Wahrscheinlich wie die meisten Menschen. Eltern hatten gefallen, irgendetwas Ausgefallenes als Namen zu wählen. Jetzt aber gehe ich zurück in die Zeit, als alles noch möglich gewesen wäre. Gleich zu Anfang gebe ich mir einen neuen Namen. Ich habe mich noch nicht entschieden, welcher Name es sein sollte, leider bin ich auch hier etwas einfallslos. Nicht, dass ich nicht kreativ wäre. Das sicherlich auch. Ist es Bequemlichkeit? Vielleicht ist es auch nur eine sich immer weiterentwickelnde Erschöpfung. Ganz gleich, was es ist. Viel Zeit wird nicht mehr bleiben. Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, ist doch auch einiges gelungen. Der Egoismus, das ständige auf sich selbst beziehen, was auch heute noch da ist, was mich aber auch schon immer gestört hat, mich in den Augenblicken, in denen ich mit Menschen zusammen gewesen war, dann, wenn es auftrat, stets an den Rand einer mich beinahe vernichtenden Erschöpfung gebracht hat, dieses „Auf-sich-nur-sich-selbst-beziehen, dann verletzt-sein“ ist keine gute Charaktereigenschaft, aber gleich, was es ist, es ist mir immer aufgefallen, und es hat mich gestört. Das heißt auch, in solchen Augenblicken war ich zumindest aufrichtig, ehrlich zu mir selbst, und das ist wiederum etwas Gutes. Ich reflektiere mich. Dann aber lass ich alles wieder so wie es war, und im nächsten Moment beginnt das Alte sich wieder in einen nicht endenden Kreislauf einzufügen. Absurd! Das Virus lebt, fällt mir gerade ein. Es ist vielleicht eine schlechte Zeit, sich gerade jetzt solche Gedanken zu machen, möglicherweise ist es aber gerade jetzt die geeignetste Zeit. Wir sind alle sterblich. Schon mit der Geburt beginnt auch das Sterben. Was bleibt, ist die Mühe, die wir aufgebracht haben, uns zu verstehen, zunächst uns als Individuum, als Selbst. Dann? Ja, was dann?