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Die Grenzüberschreitende

Nicht schlafen können, sich schuldig fühlen: für alles, was in der Welt geschieht, in der Familie,  unter Freunden, fern von einem.

Immer trägt man die Schuld, also auch für das, für das man schlechterdings die Ursache nicht sein kann. Leicht gerät man in die Rolle des Schuldigen, denn er hat nicht gelernt, seine eigene Verantwortung von der Verantwortung der anderen zu trennen. In der Vergangenheit hat man ihm gesagt, dass er nur Fehler und Schwächen besäße, dass er keinen Wert hätte. So musste er sich immer wieder von neuem versuchen, sich zu bestätigen, erkannte dabei nur selten von anderen vermittelte Werte an. Mißtrauen war sein ständiger Begleiter. Wie sollte man anderen Glauben schenken, wenn  schon die eigenen Eltern ihn als überflüssigen Ballast betrachteten, als jemanden, der lediglich das höchstungewollte Produkt einer lustvollen Viertelstunde war? Was man einem solchen Menschen gab, war  infolgedessen keine Liebe, es war nicht einmal Haß; es war die pure Gleichgültigkeit.

Und gleich werde er mit jener Frau sprechen, die jahrelang ihre schwerbehinderten Kinder liebevoll pflegte, dann aber, in einem Akt großer Grausamkeit zustach und das Leben derselben jäh beendete.

In solch düsteren Gedankengängen verstrickt, betrat Steffen Leibschik , unser Protagonist, das Justizvollzugsgebäude in A. Nie zuvor hätte er gedacht, dass das Schicksal dieser Frau ihn so nachhaltig bedrücken könne.

Schon von weitem sah er jetzt das trostlose graue Gebäude der Justizvollzugsanstalt A. Nach der Anmeldung beim diensthabenden Vollzugsbeamten und Überprüfung nach Waffen und nicht erlaubten Gegenständen sowie Vorlage seines Presseausweises durfte er in Begleitung eines weiteren Vollzugsbeamten den Hof passieren.

Von allen Seiten mehrstöckige angeschlossene Gebäude, wieder ein Durchgang. Dieser führte auf ein eingeschössiges, streng mit hohem Natostacheldraht gesichertes Gebäude zu.